Zeitzeugen-Begegnung der Leistungskurse 11 und 13 im Fach Geschichte

Am 5. Oktober hatten unsere Leistungskurse im Fach Geschichte die besondere Gelegenheit, im Priesterseminar in Limburg eine Begegnung mit Zeitzeugen zu erleben.

Wir erfuhren von ihrem individuellen Schicksal während des Zweiten Weltkriegs und der Zeit des Nationalsozialismus. An diesem sehr bemerkenswerten Tag waren fünf Personen zu Gast.

Zu Beginn erzählten die Zeitzeugen uns ihre persönliche Lebensgeschichte. Ihre Erzählungen gaben einen bewegenden Einblick in eine Zeit, die in den Geschichtsbüchern oft nur abstrakt erscheint. Nach den Berichten der Zeitzeugen hatten wir die Gelegenheit, im Rahmen einer Fragerunde persönlich ins Gespräch zu kommen. Dieser Teil des Tages war für uns alle von großem Wert, da wir die Möglichkeit hatten, unsere eigenen Fragen zu stellen und noch tiefer in die Geschichten der Zeitzeugen einzutauchen. Diese Möglichkeit wird leider immer seltener.

Die allgemeine Stimmung an diesem Tag war von großer Achtung und Wertschätzung geprägt. Wir waren uns einig, dass dieser Tag nicht nur geschichtliches Wissen vermittelte, sondern Geschichte lebendig und hautnah erfahrbar machte. Zwei der Erzählungen möchten wir im Folgenden kurz wiedergeben, um die Bedeutung dieses außergewöhnlichen Erlebnisses zu unterstreichen.

Mikolaj Sklodowski wurde am 25. März 1945 im Konzentrationslager in Ravensbrück geboren. Seine Mutter Waleria wurde in Polen geboren, wo im Warschauer Ghetto 1943 ein Aufstand stattfand. Infolgedessen wurden viele Menschen in Konzentrationslager deportiert, darunter war auch seine hochschwangere Mutter. Seine Geburt fand in diesem KZ statt, unter den menschenunwürdigsten Bedingungen, die man sich nur hätte vorstellen können. Dazu zählte u.a. auch die Separierung von Mutter und Kind, denen es lediglich gestattet war, fünfmal am Tag ihr Kind zu sehen, um es zu stillen, was allerdings aufgrund der unzureichenden und mangelhaften Ernährungslage kaum möglich war. Daher bekamen die Neugeborenen lediglich eine milchartige Substanz, die stark verdünnt war.

Am 24. April 1945 kamen die Mutter und ihr nun deutlich untergewichtiger Säugling im Rahmen einer Hilfsaktion des Schwedischen Roten Kreuzes mit den sog. „Weißen Bussen“ nach Schweden. Im Oktober 1945 kehrte die Mutter mit ihrem Sohn nach Polen zurück

Die Lebensgeschichte von Anna Janowska-Ciońćka ist zutiefst bewegend und zugleich von Hoffnung durchdrungen. Geboren am 5. Mai 1936 als Hanna Kleinberg in einer polnisch-jüdischen Familie in Krakau, erlebte sie die Wirren des Zweiten Weltkrieges auf schmerzliche Weise. Ihr Vater, ein Zahnarzt mit eigener Praxis in Rabka, wurde während des Kriegsausbruchs in die polnische Armee eingezogen, nur um in sowjetischer Gefangenschaft zu sterben.

Anna verblieb zunächst mit ihrer Mutter, Schwester und Großeltern in Rabka, doch die Situation für Juden verschlechterte sich stark. Die Praxis des Vaters wurde beschlagnahmt und die Familie aus ihrer Wohnung vertrieben. Sie mussten mehrmals umziehen. Im Mai 1942 fielen die beiden Großmütter einer Massenerschießung im Wald zum Opfer, im Juni wurde auch der Großvater ermordet. Hanna, ihre Mutter und Schwester waren ebenfalls auf der Liste derer, die „liquidiert“ werden sollten.

Mit der Hilfe ihres Schwagers gelang es der Mutter, ihre beiden Töchter Hanna und Ewa einem polnischen Bürger anzuvertrauen, der sie in einem abgelegenen Dorf versteckte. Die Mutter folgte bald darauf mit einer gefälschten Kennkarte, nun als Maria Janowska. Drei Jahre verbrachten sie im Versteck, stets in der Furcht vor Entdeckung. Ihr Überleben verdanken sie dem selbstlosen Einsatz vieler wohlgesinnter Menschen. Selbst als alles dunkel und aussichtslos war, waren da Menschen mit einem großen Herzen, welche halfen und Anna neue Hoffnung gaben.

Heute ist Anna Mitglied des Vereins der „Holocaust-Kinder“ und berichtet an Schulen und anderen Einrichtungen ihre Lebensgeschichte. Dies tut sie besonders aus Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die ihr und ihrer Familie damals halfen und sie versteckten und um ein mahnendes Zeugnis zu sein: Nie wieder!

 

Text Viktoria Hönig und Markus Kowsik
Bild Theresa Fassbender

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