Ein digitales Schulpraktikum – eine absurde Idee?

Die Situation

Ich bin Lehramtsstudentin der Universität Koblenz-Landau im zweiten Semester, und das Praktikum am Goethe-Gymnasium war mein erstes Orientierendes Praktikum. Es waren spannende drei Wochen während denen ich am Goethe-Gymnasium in Bad Ems vom 07.09.2020 - 25.09.2020 hospitieren durfte. Das Besondere an dieser Praxisphase: Aufgrund der Corona-Pandemie und der durch des Land Rheinland-Pfalz angeordneten Vorschriften musste das Praktikum digital durchgeführt werden. Damit haben sowohl ich als auch die Praktikumsleitung meiner Schule Neuland betreten.

Die Durchführung

Doch wir haben diese Herausforderung angenommen und von beiden Seiten höchstes Engagement gezeigt, um das Praktikum so ertragreich wie möglich zu gestalten. Ich hatte das Privileg, in unterschiedlichen Klassen und Fächern mit einer Live-Stream-Zuschaltung in den Unterrichtsstunden über Smartboards hospitieren zu dürfen. Doch stieß die Technik schnell an ihre Grenzen: Die Verbindung war selten konstant. Ich selbst konnte die Schüler zwar größtenteils sehen, aber nur schlecht verstehen. Die jeweilige Lehrkraft hingegen war besser zu verstehen, da sie in der Regel beim Mikrofon saß und die wichtigsten Aussagen für mich wiederholte. Darüber hinaus hatte ich sehr viele ergiebige Reflexionsgespräche mit meiner Praktikumsleitung, die mir weitere Einblicke und Eindrücke verschaffte und meine Beobachtungen vervollständigte. Es war allerdings schade, dass mir die fachliche Tiefe und das „hautnahe“ Begleiten im Lehreralltag durch die Digitalisierung des Praktikums verwehrt blieb.

Mein Praktikum war durch tägliche Impulse in einem Wochenplan, welcher sich aus literarischen Impulsen, Arbeiten mit der Schulhomepage, dem Lehr-Lern-Modell des Studienseminars Koblenz, den Live-Streams sowie Fallbeispielen in den Reflexionsgesprächen zusammensetzte, geprägt. Mit viel Eigenengagement habe ich versucht, das Beste aus dem Praktikum für mich mitzunehmen und die mir gegebenen Aufgaben sorgfältig bearbeitet, um auch meiner Praktikumsleitung beim Entwickeln des Digitalen Praktikums eine konstruktive Hilfe zu sein. Denn:

Wir haben keine Gewissheit, wie lange und intensiv uns diese besondere Art der digitalen Ausbildung in Zukunft begleiten wird. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zu Jahresbeginn erleben nahezu alle Menschen und gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Strukturen einen fundamentalen Wandel. Insbesondere Schulen und andere Bildungseinrichtungen sind stark von dieser Gesundheitskrise betroffen.

Doch die Wirtschaft und somit auch der Unterrichtsbetrieb müssen weitergehen. Nach dem Lockdown führte das Land Rheinland-Pfalz, wie viele andere Bundesländer auch, einen Hygieneplan für Schulen ein. Dieser wurde gegen Ende des letzten Schuljahres mit staatlicher Unterstützung am Goethe-Gymnasium vorbildlich umgesetzt. Doch seit diesem Moment ist viel Zeit vergangen und je mehr wir uns zeitlich vom Lockdown entfernen, lassen auch die Disziplin und das Engagement des Landes ein Stück weit nach – trotz der wieder steigenden Fallzahlen. Die Institution, welche Schüler und Lehrer schützen sollte. Besondere Auswirkungen haben die Hygienevorschriften auf die Schulordnung jeder Schule und somit auch auf den individuellen Schulalltag. Gegen Ende des letzten Schuljahres hatte sich das Goethe-Gymnasium eine neue „Schulordnung“ mit den durch die Corona-Pandemie einhergehenden Veränderungen aufgebaut. Die wohl wichtigste und ergiebigste Veränderung war die Halbierung der Klassen, welche daraufhin im Wochenwechsel präsent beziehungsweise parallel dazu digital unterrichtet wurden. Somit befand sich auch nur die Hälfte der Schulgemeinschaft auf dem gesamten Schulgelände und die oberste und wichtigste Regel für die Eindämmung des Coronavirus konnte eingehalten werden: Abstand halten!

Doch auch seit diesem Augenblick ist viel Zeit verstrichen und die wichtigste aller Regeln konnte seit dem Ende der Sommerferien nicht mehr eingehalten werden: Die Schüler sitzen alle ohne den gegebenen Mindestabstand nebeneinander im Klassenraum, 25 - 30 Schüler füllen den Raum und unterliegen so einem doch relativ hohem Infektionsrisiko. Und da sie auf dem Schulhof in den Pausen aufgrund der Maskenpflicht nicht essen dürfen, geschieht dies nebeneinander im Klassenraum und in der Unterrichtszeit. Ein weiteres Problem welches Folgen nach sich ziehen wird, die zeitlich noch nicht abzusehen sind.

Die Erfahrung

Die zusätzlichen Maßnahmen beanspruchen viel Zeit, die normalerweise dem Unterricht zusteht. Zeitverlust durch zusätzliche Maßnahmen bedeutet Unterrichtsverlust! Dieser kann sich auf das Fundament auswirken, welches sich die Schüler in der Unterstufe gerade für ihre Zukunft aufbauen. Die Lehrkräfte können zudem nicht die gewohnte Methodenvielfalt und Abwechslung in ihren Unterricht mit einbringen, was Auswirkungen auf das bereits angespannte Klassenklima hat.

Alles in allem werden den Lehrkräften in dieser Zeit – und ohne die entsprechenden Hilfsmittel – eine riesige Aufgabenvielfalt und Verantwortung aufgeladen, die außerdem mit einem hohen Infektionsrisko verbunden ist. Dies bedeutet eine extrem große organisatorische Herausforderung, doch die Lehrer am Goethe-Gymnasium unterstützen sich alle gegenseitig und versuchen, den Schülern so viel Normalität im Schulalltag zu gewährleisten, wie es ihnen möglich ist. Sie geben nicht auf und überwinden ihre Ängste, um ihrem Herzensjob nachzukommen – für ihre Schüler und für sich. Ich hatte großes Glück, an eine Schule mit derartigem Engagement zu kommen. Denn als Praktikantin habe ich den unter diesen schwierigen Umständen bestmöglichen Blick auf den aktuellen Schulalltag erhalten.

Fazit

Doch die Idee, den allumfassenden Lehreralltag online nachvollziehen zu können, ist absurd. Ich saß wie im Film „Das Fenster zum Hof“ an meinem digitalen Fenster und konnte ausschließlich beobachten. Doch sind es nicht die fachlich tiefen oder auch pädagogischen Diskussionen und Gespräche mit den Schülern, die Zwischengespräche mit den unterschiedlichsten Lehrern, das Hetzen von A nach B innerhalb von fünf Minuten, in denen man gedanklich vom Deutschunterricht der 5. Klasse zum Ethikunterricht der 13. Klasse springt, genau DAS was Studenten im Praktikum erleben sollen, um zu erkennen, ob der Lehreralltag das ist, was man wirklich will?

 

Mirelle Georg
Vallendar, 23.10.2020

 

Bild Benedicte Schödl

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