GleichArtIchSchillernd – Girls’an Boys’ Day 2022

Kooperationsprojekt des Goethe-Gymnasiums mit dem Künstlerhaus Schloss Balmoral und der Gleichstellungsstelle Rhein-Lahn am 28.4.22

Inwiefern Künstler:innen geradezu mit ihrem häufig gesellschaftskritischen Werk geschlechtstypisches Denken und Handeln hinterfragen und somit gerade im Rahmen des berufsorientierenden Girls’an Boys’ Days für uns als Schule gute Kooperationspartner sein können, machte die Künstlerin Petra Mattheis (Projektstipendiatin 2016) den acht Workshopteilnehmer:innen der 10. Jahrgangsstufe gleich zu Beginn ihres treffend benannten Workshops „GLEICH ART ICH SCHILLERND“ klar, indem sie uns exemplarisch eine kurze Episode eines Verkehrsunfalls erzählte, bei welchem in einem PKW ein Vater tödlich verletzt wird und am Unfallort stirbt, sein Sohn jedoch schwer verletzt in eine Klinik gebracht wird, wo der diensthabende Chirurg mit dem Argument, dass dies sein Sohn sei, ablehnt, die Operation selbst durchzuführen. „Wer ist der Chirurg?“…. Wir mussten zunächst lange Grübeln und tippten auf Stiefväter o.ä- bis schließlich die Lösung gefunden wurde, dass trotz der grammatikalisch maskulinen Berufsbezeichnung die Mutter der diensthabende Chirurg ist. …Dieses Beispiel sensibilisierte uns für den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken und spricht aus Sicht der Künstlerin Petra Mattheis für das Gendern, auch in der Alltagssprache. Bevor wir selbst gestalterisch tätig wurden, um diese im Kopf gegebenen Rollenklischees zu hinterfragen, diskutierten wir zunächst über unsere bereits im Vorfeld gesammelten Eigenschaftswörter, die häufig klischeehaft in Verbindung mit geschlechterrollentypischem Verhalten verwendet werden. Unsere umfangreiche Adjektivsammlung reichte von arrogant über muskulös bis zickig. Ebenso facettenreich waren die damit verknüpften Assoziationen und Emotionen der Workshopteilnehmer:innen, was mir als begleitender Lehrerin bewusst machte, dass die Gruppe bereits zu Beginn unserer Arbeit sehr offen und kritisch diesen Stereotypen gegenüberstand.

Unsere Überlegungen mündeten in eigene Gestaltungen von großen „Schriftstücken“ aus Pappe, teils als Objekt (ein geschlechterübergreifender bzw. -verbindender Turm), teils als Kleidung (Sandwich-(Wo)man, Krone, Korsett, Ritterrüstung von uns selbst im doppelten Sinne des Wortes im Kopf und am Körper getragen. Dabei gestalteten wir aus den Wörtern Schriftbilder, bei denen Schriftart und Schriftgröße (z.B. fettgeschriebene Kapitalbuchstaben STARK und verschnörkelt mit Herz-I-Pünktchen versehenes SÜß, Comicschrift; Streetart-Tag, klassische Schriftart), Farbe (z. B. Blau und Rot wurden häufig ähnlich wie bei der Babykleidung Pink und Hellblau als geschlechtstypisch verwendet) und Technik (Temperafarbe, Pastellkreide) gezielt eingesetzt wurden. Ein besonders aussagestarkes Plakat zeigt den roten Stempelschriftzug „Zicke“ in groß über lauter blau geschriebenen positiven Eigenschaften wie mutig und stark. Damit wollte die Schülerin demonstrieren, wie sehr Klischeevorstellungen junge Mädchen teils einengen und kategorisieren, auch wenn sie sich stark fühlen und diese Klischees nicht leben. Umgekehrt zeigte ein Schüler, dass er sich nicht in dem „was ein Mann sein muss“ wieder findet, sondern ganz anders empfindet, was man an seinem „Ritterhemd“ erkennt, welches von oben nach unten individuellere, weniger klischeekonforme Eigenschaften nennt.

Insgesamt haben die Schülerinnen genossen, einmal in einem Workshop über den ganzen Vormittag an einem Projekt zu arbeiten. Im Nachhinein wurde mir rückgemeldet, dass die Männer sich als „egoistische Muskelpakete“ ebenso schlecht „abgestempelt“ fühlten wie die „Zicken“. Daher hoffe ich auf individuelle Umprägungen und Neuerfindungen der Rollen, indem alle Workshopteilnehmer:innen bewusst ihre Persönlichkeiten (mit und ohne Pappkrone) in die Welt tragen und möglichst flexibel und kreativ anlässlich unterschiedlicher Herausforderungen des Lebens auch weiterhin SCHILLERND (um)gestalten.

 

Text Susanne von der Heyden
Bilder Goethe-Gymnasium

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