„Klamms Krieg” in den Leistungskursen Deutsch

Markus Angenvorth überzeugt als Herr Klamm nicht nur vom Potenzial des Theaters

Theater in der heutigen Zeit? Theater für Jugendliche? Theater in der Schule? Am Goethe-Gymnasium? Ist das noch zeitgemäß? Kann das überhaupt begeistern?

Im Rahmen des Deutschunterrichtes der Leistungskurse beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse 11 (Mechthild Baur-Fleischer, Benedicte Schödl), 12 (Thomas Schuster) und 13 (Benedicte Schödl) mit der Bedeutung des Theaters für Gesellschaft, Politik und Kultur und sahen in diesem Zusammenhang am Donnerstag, 6. Februar 2020, das Stück „Klamms Krieg“, das, als Ein-Personen-Stück, von Kai Hensel geschrieben, im Jahr 2000 uraufgeführt und am Goethe-Gymnasium eigens für die 60 Schüler der MSS gespielt wurde. Im Mehrzweckraum, der zugleich als Bühne diente, versammelte sich das durchaus gespannte Publikum, das Publikum und Schulklasse zugleich darstellte, um Theater tatsächlich, vielleicht zum ersten Mal, hautnah zu erleben:

Es geht um einen Lehrer, Herrn Klamm, dessen Klasse diesem den Krieg erklärt hat, da er, so meinen es die Schüler, Schuld am Tod eines Abiturienten trage. Die Note, die er im Abitur gegeben habe, sei zu schlecht gewesen und allein das sei der Grund für den Selbstmord dieses Schülers. Die Klasse beschließt deshalb, „Krieg“ gegen Herrn Klamm zu führen, Krieg durch Schweigen. Kein Gruß, keine Mitarbeit, keine Nachfragen, ebenso kein Trost, keine Diskussion, keine Auseinandersetzung mit dem verzweifelt agierenden, um Verständnis und pädagogische Fassung ringenden Lehrer. „Was ist Ihr Plan? Sagen Sie es mir …“ Die Schüler bleiben sprachlos, auch als der Lehrer in einen immer stärker werdenden Sog gerät, über Sascha reflektiert, seinen „Lieblingsschüler“, der nun tot ist, über den Wert eines Gymnasiums, die Verantwortung der Lehrerkollegen, über Noten und Noteninflation, über das (schulische) Miteinander sowie seinen eigenen Lebensentwurf. „Ich habe mich bemüht, für Sie da zu sein, auf Ihre Fragen eine Antwort zu geben. Und wenn Sie nicht fragen, habe ich trotzdem geantwortet; das war meine Pflicht.“ Bis hin zur dramatischen Darlegung innerseelischer Vorgänge reicht sein verzweifelter, oft lautstark-erschreckender, mitunter auch erschütternd stiller Monolog, der am Ende sogar mit dem Gedanken des Selbstmordes vor der Klasse spielt. Diese aber schweigt. Bleibt kalt. Kein Wort wird gewechselt. Herr Klamm verlässt die Schule. Zumindest vorübergehend. Ob er wiederkommen wird, bleibt unklar.

„Das öffentliche Theater geht aus dem Geist der Aufklärung hervor und dem eines sich emanzipierenden bürgerlichen Selbstbewusstseins … Im Theater soll der Besucher die Möglichkeit erhalten, die eigene Individualität und Identität zu reflektieren … und mittels der künstlerischen Auseinandersetzung am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen …“, so schreibt Eva-Maria Reuther in einem Text, mit dem sich die Kurse unter anderem vorbereitend beschäftigt haben. Dass das von Reuther Postulierte durch die unglaublich emotionale, professionell-überzeugende Schauspielleistung Angenvorths ausgelöst wurde und gelungen ist, zeigte sich im anschließenden Gespräch mit dem Schauspieler, in dem die Oberstufenschüler ihre Gedanken bezüglich der gezeigten Handlung, des menschlichen Miteinanders, der Bedeutung von Kommunikation, des Schauspielberufes und der Bedeutung des Theaters im Allgemeinen an den Schauspieler herantrugen und diskutierten. Kritisch und sensibel waren die Beiträge der jungen Zuschauer, aufmerksam war die Haltung aller Zuhörer, als „Herr Klamm“, nun als Markus Angenvorth, mit den Jugendlichen sprach. Die Atmosphäre während des Reflexionsgespräches wie auch während der Aufführung war eine durchweg positive, von Person und Schauspieler gebannte. Der Fokus lag „auf der Bühne“, die kurioserweise in unsere eigene Welt entführte und so zeigte, wie Theater in Korrelation zum Heute treten kann und muss. Dies ist vor allem auch Markus Angenvorth geschuldet, der als Schauspieler zum wiederholten Male am Goethe-Gymnasium spielte und seine Leistung mit bewundernswertem Idealismus, Pathos und Herzlichkeit kombinierte. Die Schüler sahen nicht nur ein Theaterstück, nicht nur einen mit Herzblut agierenden Schauspieler, sondern sie erlebten einen Menschen, der seinen Beruf nicht als Job erledigt. Mit Markus Angenvorth lernten sie einen Schauspieler kennen, der voller Überzeugung und Energie (s)einen Beitrag zu gelingendem gesellschaftlichem Miteinander liefert, indem er seinen Beruf mit Leidenschaft erfüllt. Die Klasse im Stück schweigt. Das Goethe-Publikum aber wurde dadurch „zur Rede gestellt“. Goethe-Schüler sprechen, diskutieren und merken an, sie reflektieren und tauschen sich aus und kommen ins Gespräch. Im Idealfall. Auch darüber, dass der Lehrer „…immer nur ein Ziel (hatte): Sie vorzubereiten auf das Leben, das so weit und offen vor Ihnen lag…“ Die „Bretter, die die Welt bedeuten“, haben dieses Mal auch am Goethe-Gymnasium Wirkung gezeigt, das Theater kann vieles zur Sprache bringen – nicht nur auf der Bühne.

Die Fachschaft Deutsch dankt – auch im Namen der Schulgemeinschaft – Markus Angenvorth für seine schon jahrelange, engagierte und professionelle Zusammenarbeit, die unsere Schule mitprägt, kulturell bereichert und zur Diskursivität anregt.

„Bald kommt der Tag, Ihr großer Tag, der für mich auch immer ein großer Tag gewesen ist … Ihr Abiturzeugnis in der Hand. … und die Tränen in den Augen der Eltern sind auch meine Tränen. Als Kinder sind Sie gekommen, als Erwachsene gehen Sie fort. Und in jedem steckt ein Teil von mir, lebt in Ihnen weiter und zieht hinaus in die Welt. Glauben Sie mir, das sind Augenblicke des Glücks.“, sinniert Herr Klamm am Ende des Stückes, und es wird klar, dass Schule immer Gemeinschaft bedeutet, dass Schule Schüler und Lehrer prägt und bewegt. Das ist nicht immer einfach, aber letztlich gut so. Auch für die Aufführung von Klamms Krieg am 6. Februar am Goethe-Gymnasium gilt daher, was Eva-Maria Reuther anmerkte: „Eins steht fest, das öffentliche Theater abzuschaffen heißt, ein Stück Demokratie abschaffen“. 

 

Text Benedicte Schödl
Bilder Christa Habscheid

 

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