Stau aus dem Nichts — Wie entsteht er? Wie kann man ihn verhindern?

In Deutschland besitzen über 40 Millionen Menschen eine Fahrerlaubnis und vermutlich hat die Mehrheit bereits persönlich ein äußerst skurriles Szenario der Verkehrsdynamik erlebt. Man fährt auf der Autobahn an ein Stauende, vergeudet wichtige Stunden mit dem langsamen Voranschreiten im Stau und stellt sich, sobald der Verkehr wieder ins Rollen kommt, nur eine Frage: Warum ist hier ein Stau gewesen, wenn überhaupt keine Stauursache zu erkennen ist? Oftmals benötigt es keine physische Blockade der Fahrbahn, sondern die Fahrer sind aufgrund ihrer Fahrweise verantwortlich, dass es zu einem Phantomstau („Stau aus dem Nichts“) kommt. Deshalb ist es von großer Bedeutung, diverse Einflussfaktoren zu analysieren und Stauursachen zu identifizieren, sodass jeder Fahrer einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Verkehrsdynamik leisten kann.

Mit genau diesen Fragestellungen beschäftigt sich die Facharbeit „Mathematische Stauanalyse mit dem Nagel-Schreckenberg-Modell“, die von Simon Alexander Richter im Rahmen des Leistungskurses Mathematik in der MSS 12 erstellt wurde.

Das Nagel-Schreckenberg-Modell ist ein „Zellularautomatenmodell“, was bedeutet, dass die einspurige Straße in eine Zellenreihe zerlegt wird. Der aktuelle Ort eines Fahrzeugs ist eine dieser Zellen und eine Zahl in der Zelle ordnet dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit zu (v=0 bis v=5). In der nächsten dargestellten Runde j+1 ist es um die Anzahl an Zellen verschoben, wie es dieser Wert angibt.

Das Nagel-Schreckenberg-Modell stellt einen Algorithmus zur Simulation der Dynamik der einzelnen Fahrzeuge innerhalb dieser Zellenreihe. Dabei greifen spezifische Regeln, die die aktualisierten Geschwindigkeiten und die Fortbewegung beeinflussen:

Jedes Fahrzeug erhöht zunächst die Geschwindigkeit um eine Einheit (Beschleunigungsregel), doch nicht immer ist genügend Freiraum gegeben, sodass der Fahrer die Geschwindigkeit dem Abstand anpassen muss (Bremsregel). Außerdem beeinflusst der sogenannte Trödelparameter die Verkehrsdynamik. Dieser bestimmt zufällig einen Anteil der Fahrer des Verkehrsgeschehens, meist 30%, die ihre Geschwindigkeit um eine Einheit verringern (Randomisierungsregel). Dies dient zur Simulation des subjektiven Fahrverhaltens der Beteiligten, denn es kommt zu Fehlern wie dem Trödeln aufgrund von Ablenkung, z.B. durch Gaffen. Nun führt die aktualisierte Geschwindigkeit zur Fortbewegung des Fahrzeugs zum nächsten Ort (Fortbewegungsregel).

Mit Hilfe eines selbstgeschriebenen Programms konnten in der Facharbeit einzelne Verkehrsszenarien modelliert und der Einfluss verschiedener Faktoren grafisch illustriert werden. Auf diese Weise wurden die Auswirkungen wesentlicher Parameter auf das Verkehrsgeschehen analysiert: Geschwindigkeit, Verkehrsdichte, Bremsverhalten und subjektives Verhalten der Fahrer (Trödelparameter).

Die Untersuchungen ergaben, dass das subjektive Fahrverhalten grundlegend für die Entstehung eines Phantomstaus ist, sodass jeder Fahrer zur Stauvermeidung beitragen kann. Zum einen sollten Fahrer größere Abstände einhalten, denn bei einer geringeren Verkehrsdichte sind Stauausprägungen seltener. Allerdings sind Streckenabschnitte mit hoher Verkehrsdichte nicht zu vermeiden, weshalb hier adäquate Beschilderungen essenziell wären. Begegnen außerdem die Fahrer dem Verkehrsfluss mit einer höheren Konzentrationsfähigkeit (z.B. weniger Gaffen, weniger Ablenkung durch elektronische Geräte, …) und achten vermehrt auf Fehlervermeidungen, kann man von einem niedrigeren Trödelparameter ausgehen, welcher Staus seltener macht. Die Schwierigkeit einer konstanten Geschwindigkeitserhaltung fordert zur Erleichterung die Nutzung eines Tempomats. Auch sollte zur Stauvermeidung ein Stillstand vermieden werden, denn stehenden Autos ist eine höhere Trödelwahrscheinlichkeit aufgrund des zögerlicheren Verhaltens im Stau zugewiesen. Das abrupte Abbremsen beim Erreichen des Staus verstärkt die Stauentwicklung, weshalb jeder Fahrer beachten sollte, schrittweise die Geschwindigkeit zu vermindern, sobald er sich einem Stau nähert. Verlässt ein Fahrzeug den Stau, so sollte eine konstante, schrittweise Beschleunigung angestrebt werden, da zu schnelles Beschleunigen das Wachstum einer zweiten Stauwelle zur Folge hat. Die Funktion des Verkehrsleitsystems sollte in diesen Bereichen eine größere Verwendung finden, um Fahrer zu optionalen Geschwindigkeiten aufzufordern.

Zusammenfassend kann es von Vorteil sein, das erlernte Wissen auf das eigene, subjektive Fahrverhalten im Straßenverkehr anzuwenden, denn so kann jeder seinen eigenen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrsdynamik leisten!

Hier steht die Facharbeit als PDF-Datei zum Download bereit:

Mathematische Stauanalyse mit dem Nagel-Schreckenberg-Modell - Facharbeit Simon Alexander Richter

 

Text Klaus Kreutz; Simon Alexander Richter
Bilder Simon Alexander Richter
Facharbeit Simon Alexander Richter

 

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