"Gespenster" im LK 12 Deutsch

Der 09.12.2016 war in seiner Funktion gleich Mehreres: zunächst einmal ein Freitag im Advent; das ist nichts Ungewöhnliches; allerdings war dies auch der Tag, an dem wir, der Deutsch-Leistungskurs der MSS 12, uns gemeinschaftlich zum krönenden Abschluss unserer im Unterricht eingehend studierten Lektüre „Gespenster“ von Ibsen mit unserer Lehrerin, Frau Schödl, in Koblenz trafen, um einer Theateraufführung eben jenen Stückes, das just zu dieser Zeit im Koblenzer Stadttheater aufgeführt wurde, beizuwohnen.

Da dies eine willkommene Gelegenheit bot, ein kleines, inoffizielles Kurstreffen zu veranstalten, wurde verabredet, sich schon zuvor auf dem zeitgleich stattfindenden Weihnachtsmarkt zu treffen; eine Möglichkeit, welche der gesamte Kurs gerne wahrnahm. Und so machten wir uns nach gemütlichem Plaudern und ein, zwei wärmenden (alkoholfreien) Getränken auf zum Koblenzer Stadttheater.

Da das Hauptgebäude gleichzeitig von einer Aufführung von Shakespeares „Hamlet“, welche ebenfalls eine Gruppe von Schülern unserer Stufe besuchte, beansprucht wurde, betraten wir das Theater durch einen Seiteneingang. Schon in der „Aula“ wurde deutlich, dass es sich hier um eine Aufführung vor einem sehr kleinen Publikum handeln musste.

Als dann die Pforten geöffnet wurden und wir in das Halbdunkel des Vorstellungsraumes traten, fiel mir zunächst auf, dass der Raum nicht viel größer war als ein großes Klassenzimmer. Zur Linken eine Dreierreihe Stühle und zur Rechten, nur zwei Meter vor der vordersten Stuhlreihe, ein ungewöhnliches Bühnenbild: Im Kern wurde es von einem mächtigen, mit Decken und Kissen beladenen Ehebett dominiert - eine sonderbare Entscheidung, da Ibsens Drama zu keinem Zeitpunkt ein Schlafzimmer als Szenerie benötigt – ansonsten war der Raum, abgesehen von einem Wandbild und einem Schrank, in der Ecke, leer.

Dass die Akteure des Stückes keineswegs mit den Schauspielern übereinstimmen müssen, bewiesen die Darsteller von Anfang an eindrucksvoll, denn die handelnden Figuren wurden von Puppen unterschiedlichster Größen besetzt, welche lediglich durch die gleichzeitig auf der Bühne stehenden Schauspieler bewegt wurden. Diese Drei verstanden es auf geradezu brillante Art und Weise, alle fünf Puppen gleichzeitig zu bewegen und sich unterhalten zu lassen, wobei sie teilweise ein und die selbe Puppe mit mehreren Personen steuerten, und verwandelten das ungewöhnliche Bühnenbild und die spärlichen Requisiten in den Köpfen der Zuschauer zu den beliebigsten Orten und Objekten, ohne dass es einer besonderen Vorstellungsgabe bedürfte. Ich denke, wir alle waren uns einig, selten eine so ungewöhnliche wie eindrucksvolle darstellerische Leistung gesehen zu haben.

Doch - als wäre die Bühnen- und Darstellungsinterpretation nicht schon außergewöhnlich genug - griff diese Interpretation des Stückes auf eine Begleitmusik zurück, die in einem Theater ungefähr so sehr zu erwarten gewesen wäre wie eine Kuh in einem Schwimmbad. Jedoch: die düsterherben Klänge Rammsteins, die dem nichtsahnenden Zuschauer unverhofft entgegen geschmettert wurden, ergänzten die verstörende Stimmung des Stückes, welches an einigen wenigen Stellen theatralisch-dezent, aber passend erweitert wurde, in unerwartet stimmiger Weise und verliehen den gewollt überspitzten und derben Höhepunkten erst recht den letzten Schliff Düsternis. Und so verließen wir die Vorstellung, wachgerüttelt von den Bildern eines nackten, betrunkenen Pfarrers, der sich zu den Klängen von „Mein Herz brennt“ übergibt und der dramatischen Schlussszene einer Mutter, die ihr eigenes Kind aus Verzweiflung, angestiftet durch den metaphorischen Geist ihres toten Mannes, im Nebel unter dem Dröhnen von „Mutter“ , ermordet.

Joshua Schwarz, LK Deutsch 12

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