FOLGE 11 |
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Das Realprogymnasium 1894/95 und die römische Vergangenheit 1
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Dieser Beitrag ist zunächst angeregt worden durch die überaus bedeutenden aktuellen archäologischen Funde (2016-2019) zur frühen römischen Geschichte von Ems. Aus der Perspektive unserer damaligen Schule von 1894 tuen sich bei genauerem Hinsehen dann aber noch ganz andere Aspekte schulinterner Art auf. Zunächst ist zusammenfassend erstens die mit ca. 45 n. C. sehr frühe, jetzt erwiesene Datierung – gut 100 Jahre vor der Errichtung des Limes - der großflächigen Befestigungen auf dem Blöskopf (Feldwache) und dem „Ehrlich“-Plateau hervorzuheben. Sie wurden bald wieder aufgegeben, da die Gewinnung von Silber und Erzen in den damals ausgebauten Stollen dort nicht ertragreich war. Zweitens wurden in der Sole der Spitzgräben der Befestigungen - einzigartig im gesamten Römischen Reich (!) – angespitzte Spieße (pila fossata) gefunden, was in der Provinzialrömischen Archäologie und den Massenmedien einen großen Widerhall fand und findet. Das Interesse der Emser Lehrerschaft an der lokalen römischen Vergangenheit begann bereits in den 1850er Jahren mit Oberlehrer Dietrich Kunz (vergleiche Beitrag I), setzte sich fort über das Mittun von Schülern an archäologischen Projekten in der Umgebung kurz nach 1900 (vergleiche Beitrag V.) und kann bis in die 2000er Jahre bis zu StD Alfred Preuß fortgeführt werden. Besonders wertvoll waren die Ansätze von Oberlehrer (Latein und Geographie) Heinrich Hess (1847-1895), der allerdings nach zwanzigjähriger Tätigkeit in Ems unerwartet verstarb. |
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In einer Zeit, in der manche Gymnasiallehrer noch fachwissenschaftlich publizierten, veröffentlichte er 1895 im Emser Schulprogramm einen langen Beitrag zur römischen Geschichte von Bad Ems, der vor allem mit seiner Karte Anfang und Grundlage der Beschäftigung mit diesem Thema bildet. Die großformatige Darstellung als Kartenmodell, die er der Schule schenkte, ist leider verloren gegangen. |
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Er hatte die Zufallsfunde der Emser Bevölkerung (Münzen, t.w. beschriftete Tontafeln etc.) gesammelt, gesichtet und die wenigen antiken Schriftquellenzeugnisse ausgewertet. Er machte die LIMES-Kommission in Wiesbaden auf seine Beobachtungen im Feld aufmerksam, die daraufhin eine vorläufige Grabung veranstaltete. Deren damalige Ergebnisse und Folgerungen konnten durch die aktuellen Befunde nunmehr korrigiert werden. Das Datum seiner Publikation dürfte allerdings kein Zufall gewesen sein, denn kurz zuvor hatte sein Französisch-Kollege Oberlehrer Wilhelm Meuser eine gehaltvolle „Analyse et critique de l’art poétique de Boileau“ veröffentlicht (Programm 1892). Diese interessante Konstellation muss im damaligen schulpolitischen Zusammenhang gesehen werden. Seit den frühen 1890er Jahren nahmen bei einem Teil der Eltern und Lehrer die Bemühungen zu, eine königliche Realschule II. Ordnung (mit Englisch und Französisch, ohne Latein, aber mit Berechtigung auf das „Einjährige“) zu werden, was die sogenannten „Realisten“ (!) zu mannigfacher Agitation gegen den Latein-Unterricht verleitet hatte. Dagegen wehrten sich die Latinisten (Realprogymnasium), die eine „unvollständige, einer niederen Ordnung angehörige Lehranstalt“ nicht akzeptierten! Beide Parteien hatten nun jedenfalls einmal publizistisch ihre Kompetenz dargestellt. Der Dissens blieb noch lange bestehen: nachdem der hochgeschätzte Lateinlehrer Prof. Dr. Hofmann (vergleiche Beitrag V) 1905 die Schule verließ, um eine ihm als Altphilologen mehr zusagende Beschäftigung zu finden (!), kam 1907 gar mit dem neuen Direktor (u. Reserveoffizier) Dr. Georg Höfer jemand, der ganz modern zur Londoner Vulgärsprache (!) promoviert hatte und sich mit der Broschüre „Die Reformschule und ihre Bedeutung für Ems“ einführte. |
Glücklicherweise wurde bald ein Kompromiss gefunden, der die Schülerzahlen wieder steigen ließ: nämlich die Realschule mit Reformrealprogymnasium, womit man in der Coblenzer Zeitung 1911 erfolgreich Schüler anwerben konnte. |
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Daneben waren die Berechtigung zum Einjährigen, kleine Klassen, die schöne Umgegend, das (vergleichsweise) geringe Schulgeld und die Unterbringung in familienbetriebenen Pensionen wirksame Werbemittel! |
1 Der Beitrag beruht auf den Schulprogrammen der 1890er im Schularchiv, Auth, Frederic: Der frühkaiserzeitliche Militärstützpunkt auf dem Blöskopf bei Bad Ems – Militärische Strukturen in einem römischen Bergbaubezirk, in: Die frühkaiserzeitlichen Militäranlagen bei Bad Ems im Kontext des römischen Bergbaus. Ergebnisse der Feldforschungen 2016-2019, hgg. von P. Henrich; M. Scholz (Berichte z. Archäologie an Mittelrhein u. Mosel 23). Koblenz 2023, 150-238 und Hess, Heinrich: Zur Geschichte der Stadt Ems, Teil I. Die vorrömische, die römische und die merowingische Zeit, in: Programm des in der Umwandlung zu einer Realschule begriffenen Realprogymnasiums Bad Ems 1895, 5-54. |